This is not America

12. November 2016 4 Von Arlette
… läuft beim Radiosender meines Vertrauens dieser Tage wieder öfter. Die Gründe dürften auf der Hand liegen. 
Dieser uralte Bowie-Song ist ein Stück Musik, das mir direkt ins Herz fährt, auch nach über dreißig Jahren noch, und den schwarzen Hund sofort weckt. 
Mein Vater hat sehr gerne David Bowie gehört, als ich Kind war. Und die Alben der sehr frühen 80er bringen den Kummer, den ich als Kind hatte, wenn wieder ein Wochenende bei Papa vorbei war, sehr unmittelbar zurück. 
Ich stehe also an einem sonnigen, kalten Novembersamstag in der Küche, mache Mittagessen für die drei Kinder, die zuhause sind, und dieses Lied läuft. Mein Herz wird sofort kalt und fühlt sich schwer an. Ich spüre einen Kloß im Hals und einen im Magen und die verdammten Tränen, die immer dann laufen wollen, wenn es so überhaupt gar nicht passt, sitzen mir auch schon wieder im Augenwinkel.  
Warum hat Musik die Macht, so alte Gefühle zu wecken? Wie kann ein Lied aus einer 41jährigen sofort wieder eine 9jährige machen, die im Fond eines Mercedes T-Modells auf dem Weg zum Flughafen sitzt, das dunkle West-Berlin vor den Autofenstern und diesen dicken Kloß im Bauch? Dieser Kummer und dieses Gefühl von Verlorensein und nirgends hinzugehören packen mich sofort am Wickel, bämm, und ich habe einfach kein Werkzeug am Start, um das wegzuschieben. Ich kann nichtmal das verdammte Radio ausmachen.
Ich war eines von den Kindern, die die Trennung ihrer Eltern nicht sonderlich gut verpackt haben. Dabei kann ich mich an Zeiten, in denen sie zusammen lebten, nichtmal mehr erinnern. Als mein Vater auszog, war ich drei. Ich habe darunter gelitten, dass mein Vater so weit weg war, darunter, dass ich ihn bestenfalls alle sechs Wochen oder so mal gesehen habe, erst kam er dann übers Wochenende mit seiner Freundin in meine Heimatstadt, später bin ich Freitagabend mit PanAm ab Frankfurt/Main geflogen, Sonntagnachmittag ab Tegel wieder zurück. Und immer der Wunsch, meine Eltern sollten sich doch wieder vertragen, völlig bescheuert, aber ich glaube, diesen Wunsch haben viele Kinder, deren Eltern sich getrennt haben.
Inwieweit meine Kindheit dazu beigetragen hat, dass bei mir ein mal mehr, mal weniger großer schwarzer Hund wohnt, weiß ich nicht. Es ist auch müßig, über hättewennundaber nachzugrübeln und sich in einer lange vergangenen Zeit zu verlieren, auf der Suche nach Gründen dafür, dass ich bin, wie ich bin. Nur manchmal, wenn bestimmte Songs unvermittelt irgendwo laufen, erwischt es mich doch. Vielleicht gehört das auch dazu.