Neun Jahre Elternsein… Halbzeit?

23. Juli 2018 1 Von Arlette

Zum ersten Mal kommt der Beitrag zum Geburtstag der großen Liese dieses Jahr nicht pünktlich, oder wenigstens zeitnah. Ich wünschte derzeit öfter, ich könnte dem einzelnen Tag noch ein, zwei Stunden anhängen, um alles unterzubringen, was ich gern machen würde. Oder mal ausreichend schlafen. Die letzten Wochen waren lang, und sie waren anstrengend.

Aber die Liese hatte einen wunderbaren Tag, und am Ende ist das dass einzige, was an ihrem Geburtstag zählt. Erst recht, wenn der auf einen Freitag, den 13. fällt und das Kind sich Gedanken darüber macht, ein Pechvogel und Unglücksrabe zu sein. Sie macht sich in jüngster Zeit ohnehin Gedanken, für die ich sie eigentlich noch viel zu jung finde, und ich muß mich wohl damit abfinden, dass sie die von mir so sehnlich für sie erhoffte ganz unbeschwerte und immer glückliche Kindheit nicht hat. Umso dringender war es mir ein Bedürfnis, ihr an ihrem Ehrentag zu zeigen, dass sie unser Glückskind ist und die Welt mit ihr darin eine bessere.

Ob das geglückt ist, kann sie nur für sich selber beantworten, aber einen schönen Tag, den hatte sie auf jeden Fall. Schulfrei, Marshmallowkuchen zum Frühstück, erfüllte Herzenswünsche zum Geburtstag, und dann eine ausgiebige Runde bouldern in einer wirklich tollen Halle. Zur Krönung waren ihre beiden besten und liebsten Freunde spontan auch mit von der Partie, nachdem sie eigentlich gar nicht in der Stadt hätten sein sollen an diesem Tag. Sie war rundum zufrieden und glücklich am Freitagabend, und nach den Ferien gibt es dann noch eine Party mit all den Freunden, die jetzt schon verreist waren.

 

In der Nacht zu Freitag, circa 01:34 Uhr. Wieso werde ich eigentlich immer erst mitten in der Nacht fertig mit meinen Dekorationen und dem Geschenketisch? So aufwändig ist das hier doch eigentlich nicht. Dieses Jahr könnte erschwerend beigetragen haben, dass ich etwa eine Stunde auf der Suche nach der genähten Wimpelkette verschleudert habe. Ohne diese freilich zu finden….


Meine Kletterliese. An der ist echt ein Gecko verloren gegangen. Sie hatte solchen Spaß, und sie hat traut sich auch einfach zu, das zu können. Ich finde das großartig, meine Beweglichkeit ist eher so das Modell “Wanderdüne”, und geschickt bin ich schon zweimal nicht. Aber sie hat mich angefixt, ich will demnächst auch mal bouldern gehen, allerdings ohne Kinder. Wir haben jedenfalls den entspanntesten Geburtstag seit Jahren verbracht, den übereinstimmend die ganze Bande einfach mochte.

Auch nicht so schlecht: die Aussicht vor der Halle. In so einer Umgebung lässt es sich aushalten, und bei so viel Wasser außenrum lässt sogar mein ewiges Heimweh nach dem Tor zur Welt mal einen Moment lang nach.

 

Nun ist sie also neun. Unfassbar. Mir sind die letzten Wochen der Schwangerschaft mir ihr noch so nah. Seinerzeit lief Peter Fox mit seinem “Haus am See” im Radio rauf und runter, und immer, wenn er sang “…ich hab zwanzig Kinder, meine Frau ist schön”, habe ich meine unglaubliche 40+x Wochen-Murmel angeguckt und gedacht “Blödmann. Ich hätte gern wenigstens mal das eine Kind aus meinem Bauch”. Heiß war mir, und so gern ich schwanger war, so sehr hatte ich im Juli 2009 einfach genug. Im Krankenhaus habe ich mir das Zimmer dann mit einer Frau geteilt, deren Sohn ungefähr 14 Stunden jünger ist als die Liese. Was sie dazu veranlasst, ihn gerne als “der Lütte” zu titulieren. Diese Frau ist mir eine enge Freundin geworden, trotz der Tatsache, dass ich, als die Liese ein halbes Jahr alt war, meine Herzensstadt verlassen habe und seither mit dem Mann (und inzwischen natürlich auch dem Rest der Bande) im Berliner Exil lebe. Neun Jahre Elternsein. Anfangs habe ich wirklich Probleme mit der Tatsache gehabt, dass dieser Minimensch so total abhängig davon ist, dass ich meine Sache gut mache. So viel Verantwortung, wo ich jahrelang echt Mühe hatte, überhaupt die Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Die Liese war ein unkompliziertes Baby, ein echtes Einsteigermodell, und trotzdem hat es mich wirklich gestresst, wenn sie weinte, wenn sie nicht schlafen konnte, wenn ich sie nicht lesen konnte und einfach nicht wußte, was sie braucht. Wir hatten Startschwierigkeiten mit dem stillen, und hätte ich meine tiefenentspannte Hebamme und ihr Zutrauen in meine Fähigkeiten nicht gehabt, ich hätte es wohl drangegeben, aus Sorge, sie wird mir nicht satt. So aber konnte ich jeden Tag sehen, sie nimmt zu, ich kann das, wir werden uns einspielen. Ich bin so froh darum, bis heute, weil ich so meine Kinder immer und jederzeit mit Nahrung versorgen konnte, als sie klein waren. Ich wäre eine hundsmiserabel schlechte Flaschenmama gewesen, der dauernd eine wesentliche Zutat gefehlt hätte, unterwegs, weil ich einfach eine Schusselliese bin und immer war. Irgendwas vergesse ich immer zuhause. Aber meine Brust, die war ja immer da und das hat  mir das Leben mit Säugling jeweils enorm erleichtert. Genauso, wie die Entdeckung, dass Kinder sich sehr gern tragen lassen und nicht zwingend in einem Kinderwagen geschoben werden müssen, um es gut zu haben. Heute gucke ich zurück auf die Unsicherheiten der Baby- und Kleinkindjahre und sehe, wieviel gelassener und entspannter ich geworden bin im Umgang mit der Liese und ihren Geschwistern. Die Babyzeit der Mini war folgerichtig die entspannteste von allen. Erstens, weil sie kein sonderlich schwieriges Baby war und zweitens, weil ich einfach Routine und Sicherheit im Umgang mit Säuglingen hatte und schon wußte, dass in vielen Situationen “annehmen und aushalten” das Mittel der Wahl ist. Und nun werden sie größer, allen voran die Liese, und die Herausforderungen werden andere. Manchmal gucke ich mein hin und wieder schrecklich vorpubertäres Mädchen, das so dringend kein Kind mehr sein und schnellstens großwerden will, an und wünsche mir so sehr, sie möge es weniger eilig haben, ihre Kindheit mehr genießen, nicht schon so sehr danach streben, “jugendlich” zu werden. Sie ist doch erst neun. Ich bin noch nicht so weit. Ich bin unsicher, ich habe Angst, alles Mögliche falsch zu machen im Umgang mit ihr und den anderen, wenn sie die Kindheit dann hinter sich lassen und wirklich jugendlich werden, “Pubertisten”. Ich fühle mich bei weitem noch nicht gewappnet dafür, diese Stürme mit ihnen durchzustehen. Aber es wird sein wie immer, ich werde es lernen und ich werde dann soweit sein müssen, wenn sie es sind. Bis dahin wird aber doch wohl noch eine Menge Wasser die Elbe runterfließen.

Danke, meine Liese, für neun Jahre Leben mit dir. Ich liebe dich mindestens einmal um die ganze Galaxie herum und wieder zurück, und noch einen Tag länger. Du bist und bleibst der größte Glücksfall meines Lebens.