Muttergefühle.Zwei – Mamas Buch issas

19. September 2017 4 Von Arlette

… sprach die Mini und kam mit meinem Exemplar von Muttergefühle.Zwei in die Küche gerannt.
Wie recht sie hat. Mamas Buch issas, und zwar nicht nur, weil es mir gehört. Es ist genau mein Ding, wie es der erste Teil auch schon war. Den hatte meine Mutter mir vor unglaublichen sechs Jahren zur Geburt der Pippi geschenkt, und mich damit zeitweise wirklich vor dem Durchdrehen und dem endlosen Bad in Selbstzweifeln, ob ich das mit den Kindern wohl hinbekomme, ohne selbige dabei zu beschädigen, bewahrt. Unbezahlbar an Tagen, die eigentlich nur aus Clusterfeeding, Schlafgewand bis 14:30 Uhr, ungewaschenen Haaren und totalem Chaos bestanden. Und davon gab es viele, im Herbst 2011.

Eselsohrig, und sicher nicht nur einmal gelesen. Meins issas!

Muttergefühle. Gesamtausgabe habe ich insgesamt selber drei Mal gelesen (auch, als die Kinder drei und vier unterwegs waren, kamen die OhGottohGottohGottdasschaffeichnie-Attacken wieder), und bestimmt doppelt so oft verschenkt. Ein Standardwerk, zumindest hier. Ich mag die Schreibe von Rike Drust wahnsinnig gern, und ich mag vor allem ihre Haltung ihren Kindern und sich selbst gegenüber. Seit etwa 2014 träume ich von einer Fortsetzung, und nun hatte ich vorvorletzte Woche tatsächlich ein Exemplar davon im Briefkasten. Hurra.
Jetzt habe ich es fertiggelesen, die letzten Seiten am Wochenende auf der Rückfahrt von einer Messe in Köln, und nicht nur im Zug schallend laut gelacht. Sondern auch unter Lachtränen am Küchentisch dem Mann und der Kindsoma daraus vorgelesen, und beim nächtlichen Lesen im Schlafzimmer Angst gehabt, die Mini mit meinem Gegacker aufzuwecken. Es ist lange her, dass ich mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen habe, und noch länger, dass ich dabei wirklich Schluckauf bekam von dem verzweifelten Versuch, leise zu lachen. Mein Exemplar von Teil zwei hat viele Eselsohren, weil ich mir so viele Stellen merken wollte, und es wird, wie Teil eins auch, ein Standardwerk in meinem Bücherregal werden.

Danke, Rike. Manchmal geh ich verloren zwischen gefühlten Myriaden von Konzepten, guten Ratschlägen, Mama- und Familienblogs von zuckersüß bis missionarisch-eifernd, Büchern über die gelingende Kinderaufzucht und Mommygezeter über den richtigen Weg, die Kinder großzukriegen in diversen Foren und auf Social-Media-Kanälen. Ich bin mir nämlich bis heute aus Gründen täglich mindestens drei- bis achtmal nicht sicher, ob es mir, ob es uns gelingt, diese unsere Kinder möglichst schadlos aufwachsen zu lassen. Ich lese dann von Gewalt in der Kommunikation mit Kindern, davon, was alles “nicht AP” ist, oder warum Erziehung sowieso immer Gewalt ist und meinen Kindern daher unbedingt schadet.
Und mir schwirrt der Kopf und zu meinen Schuldgefühlen, meinen Kindern ihre sowieso bekloppte Mutter zuzumuten, kommt dann noch die fiese, kleine, leise Stimme, die mir erklärt, dass ich versage, auf ganzer Linie, denn: hier wird es häufiger mal laut, und nicht immer sind das dann die Kinder, hier klebt der Zucker am Boden und pudert nicht über unser Leben, hier flüchtet die Souveränität gemeinsam mit der Gelassenheit und dem Humor vor dem schwarzen Hund, und hier passieren Fehler, andauernd, jeden Tag und meistens mir. Alles Schei*e, deine Elli, sozusagen, von Zeit zu Zeit jedenfalls – oder auch, wattsefacko, wieso sagt das keine vorher, dass Muttersein echt nix für Sissies ist!

Und dann schreibt Rike einfach so ganz klar und mit einer schnörkellosen Sprache darüber, dass das Leben mit Kindern eben so ist, wie es ist. Toll, anstrengend, fordernd, langweilig, überraschend, chaotisch, immer gleich und dauernd anders, und oft alles davon gleichzeitig, und, Überraschung, das ist nicht nur hier so.
Und sie schreibt so schön darüber, wie es ist, wenn sich die Befürchtung, das zweite Kind nicht so lieben zu können wie das erste, in nix auflöst in dem Moment, wenn das zweite Kind zur Welt kommt, dass ich gleich wieder heulen muß, weil Kinder haben für mich vor allem anderen immernoch eines bedeutet: unfassbar viel Liebe, die so bedingungslos ist, und die einfach immer mehr wird, wenn die Kinder mehr werden. Sie schreibt über die Wehmut, das Komplettgefühl, den Verlust von Coolness und straffer Bauchdecke und vieles andere, was zum Leben mit den Kindern gehört, und sie tut es mit Worten, die meine eigene Gefühlswelt so oft so zutreffend beschreiben, dass ich mich sehr verstanden gefühlt habe, und so viel nicken mußte beim lesen, dass meine Halswirbel jetzt ein bißchen knacken. Naja, ich bin halt auch schon über 40.

Muttergefühle ist wie – Achtung, Kitschmetapher – ein Anker in diesem häufig genug stürmischen Gewässer, dass die Mutterschaft zumindest für mich ist. Die Gewißheit, dass andere auch nicht immer alles so hinkriegen, wie sie möchten und es sich für ihre Kinder wünschen. Und dass das vielleicht auch nicht so schlimm ist, solange die Brut sich geborgen, geliebt, gesehen und geachtet fühlt.
 Ich möchte unseren Kindern so dringend eine stabile, gesunde Basis mitgeben, und mache mir damit hin und wieder selber das tägliche Leben unglaublich schwer. Besonders dann, wenn ich meinen eigenen Ansprüchen im Ansatz nicht gerecht werden kann, sondern gerade mal so den Alltag am laufen halte und das alleine schon unfassbar anstrengend finde. Dann denke ich, dass das daran liegt, dass hier oft genug auch noch die blöde Depression mit am Tisch sitzt und mich von einer etwas chaotischen, verpeilten, immer dem unter Zeitdruck stehenden weißen Kaninchen aus Alice im Wunderland ähnelnden Frau in eine überforderte, überlastete, blöde Nuss verwandelt, die die Kinder anmault, mit nichts einverstanden ist, und das Gefühl hat, genau gar nichts mehr auf die Kette zu kriegen. Und darüber erst recht frustriert und depressiv wird.
Wie entlastend, dass es solche Tage auch bei anderen gibt, ganz ohne schwarze Dame am Tisch. Und dass ich das schwarz auf weiß und mit viel Humor nachlesen kann. Dass anderswo auch nicht immer alles nach Konzept läuft oder klappt, und dass Konzepte an sich vielleicht auch einfach überschätzt werden und dass das auch gar nicht so schlimm ist. Weil wir unsere Kinder wie verrückt lieben, respektieren und achten. Auch an den blöden Tagen voller Hektik und Zank.
Und dieser ehrliche Umgang ist es, der die beiden Muttergefühle-Bände für mich so wertvoll macht. Dass Rike noch dazu einen superen Humor hat, schön trocken und selbstironisch, und eine Schreibe, die Spaß macht und Lust auf mehr, ist die Sahnehaube auf dem Lesevergnügen.

Samstagmorgen, 05:13 Uhr, Aufbruch nach Köln. Ein paar Seiten hab ich noch, also ab ins Messegepäck mit dem Ankerbuch.

Ich hätte wirklich sehr gerne noch etwas weniger begeistertes geschrieben, damit das hier nicht so nach Groupietum aussieht – aber mir fällt einfach nichts ein, außer vielleicht, dass die einzelnen Unterkapitel in ihrer Reihenfolge ein wenig beliebig bleiben und der “rote Faden” bei Teil eins deutlicher war. Aber – auch das ist einfach das Leben mit größer werdenden Kindern. Das hat nämlich, zumindest meiner Erfahrung nach, auch keinen roten Faden. Passt also am Ende auch wieder.
In einem Wort: kaufen. Unbedingt. Oder sich schenken lassen. Und selber verschenken, an andere Frauen, die ein gedrucktes Tschakka in allen Lebenslagen des Elternseins zu schätzen wissen oder einfach nur brauchen können.