Freundschaft – {Short Stories #2}

26. Februar 2014 10 Von Arlette
Ich bin ein Internetidiot. Also, klar, ich blogge, ich kann mein Mailprogramm bedienen und online shoppen und banken, ich hab ein Facebookprofil und verdiene sogar einen Teil meines Geldes im Netz. Aber kein Smartphone, kein WhatsApp, keinen Feedreader, keinkeinkein.
Will ich auch nicht. Ich kenne mich, ich würde vermutlich auch so eine, die dauerndzu das Smarphone in der Hand hätte und gucken müßte, was andere grade machen. Und dabei mein eigenes Leben verpasse. Das will ich nicht, also lebe ich, technisch gesehen, vermutlich in der Frühindustrialisierung. Macht aber nichts.
Eine Begleiterscheinung ist, dass ich virtuell nicht so sonderlich viel mitbekomme, im Bloggerland nicht (es sei denn, da RUMSt es) und im Gesichterbuch erst recht nicht. Ich bin dann gefühlt gern mal eine von denen, die noch Streifenstoffe kauft, wenn alle Welt schon bei ZickZack ist. Old-fashioned halt.
Auch das stört mich in aller Regel nicht.
Aber wenn ich diese Aktion verpasst hätte, hätte ich mich doch geärgert.
Da ich die Blogs diverser Damen jedoch recht regelmäßig lese, hab ich unter anderem schon bei Luci, Muddi, Susi, und Nina die Kurzgeschichten zum Thema Freundschaft gelesen. Und das Thema seitdem im Kopf. Erst wollt ich nichts dazu schreiben, aber es lässt mich dann doch irgendwie nicht los. Weil es so wichtig ist, und weil ich ohne Freunde einfach nicht leben könnte. Und weil dieses Thema für mich mit vielen schmerzlichen Erfahrungen und Erinnerungen verknüpft ist, mit Scham über mein eigenes Fehlverhalten, aber auch mit tiefempfundenem Glück, Dankbarkeit, Innigkeit, mit Freude, mit Gelächter, mit blindem Vertrauen. Mit Wut, mit Hass, mit Enttäuschung, mit Mißtrauen und grenzenloser Traurigkeit. Mit der ganzen Palette Gefühle, derer ich fähig bin.
In meiner Kindheit und Jugend war ich retrospektiv gesehen eher einsam, jedenfalls hatte ich weder sonderlich viele Freunde, noch gar eine “Clique”. Als Einzel-, Trennungs- und Schlüsselkind bin ich in den frühen 80er Jahren auf die einzige Ganztagsschule meiner Geburtsstadt gegangen. Die lag am anderen Ende der Stadt, während alle Nachbarskinder in unserem Stadtteil eingeschult wurden. Und auch nachmittags zusammen spielten, während ich erst am frühen Abend wieder nach Hause kam. Auf dem Gymnasium war ich dann bis zur Oberstufe und einem Stadtwechsel auch immer eine von denen, die nicht cool genug waren, um Freunde zu haben. Ich hatte eine beste Freundin, die mir, als wir gerade 13 waren, die Freundschaft aufgekündigt hat. Ich habe bis heute keinen Schimmer, warum. Eine andere Freundin aus dieser Zeit habe ich inzwischen seit fast 15 Jahren nicht mehr gesehen, wir telefonieren aber ungefähr zwei Mal im Jahr und da ist gefühlt immernoch eine große Nähe. Schön finde ich das.
Die letzten vier Jahre bis zum Abitur habe ich dann in einer anderen Stadt, auf einer anderen Schule verbracht und das waren die einzigen, in denen ich einen Freundeskreis hatte. Glückliche Tage. Leider ist mir aus dieser Zeit niemand geblieben, aber ein Sack voller schöner Erinnerungen.

Nach dem Abitur bin ich erst in den Süden des Landes gezogen, und dann sehr schnell in den Norden, nach Hamburg, meine Herzensheimat. Über 13 Jahre habe ich dort gelebt, und Freundschaften gefunden, wieder verloren, und einige ganz wenige behalten, bis heute. Jetzt lebe ich in Berlin, und hier habe ich niemanden, den ich als Freund in dem Sinn, den dieser Begriff für mich hat, bezeichnen würde.
Das ist aber nicht so schlimm. Meine Freunde sind mir räumlich fern, dafür seelisch nah. Das ist mir wichtiger, als andersrum.

Ich bin selbst nicht immer ein sehr präsenter Freund, räumlich nicht, aber auch via Mail und Telefon nicht. Vermutlich nichtmal meistens, dafür hänge ich zu oft zu sehr in eigenen Gemengelagen fest, bin mit meinem eigenen Kosmos so beschäftigt, dass mir der Blick für das außenraum verloren geht. Dann trage ich die, die mir am Herzen sind aber trotzdem in Gedanken.
Ich war auch nicht immer ein guter Freund. Den “Klassiker”, einer Freundin den Freund ausspannen, habe ich zwar nicht gebracht. Aber zu einer engen Freundin den Kontakt abbrechen, weil mein damaliger Partner (ein echter Vollidiot, aber das ist ein anderes Thema) der Meinung war, ich bräuchte am besten gar keine Freunde, das hab ich gemacht. Und da war ich lange über das Teenageralter, in dem solche Dinge verzeihlich sein mögen, hinaus. Die Freundin hat mir trotzdem verziehen. Hat sie zumindest gesagt, fast sieben Jahre lang. Heute mag sie – angeblich aufgrund dieser Sache – doch nicht mehr mit mir befreundet sein. Das tut immernoch weh, und ist meine jüngste Enttäuschung in Sachen “Freundschaft”.
Ich bin also vorsichtig geworden, mit dem Begriff, und mit der Auswahl derer, die ich meine Herzensfreunde nenne. Es sind mehr als eine Handvoll, und weniger als zwei volle Hände. Für diese Damen würde ich mitten in der Nacht ans andere Ende der Welt fahren, steckten sie in Schwierigkeiten. Für diese Damen lege ich mein Handy, vollgeladen und mit lautem Klingelton neben mein Bett, wenn ich weiß, etwas wichtiges steht an. Mit einem Teil dieser Damen fahre ich im Mai wieder nach Sankt Peter Ording, eine der Damen hat mich letzte Woche zur stolzen Patentante gemacht, eine andere hat gar keine Kinder und auch sonst nicht mehr viel mit meinem Leben, wie es jetzt ist, zu tun. Sie ist die Patin meiner älteren Tochter und unsere Freundschaft wird bald volljährig, hat vieles erlebt und ausgehalten und besteht trotz unterschiedlicher Lebenswege und inzwischen auch großer räumlicher Entfernung fort. Jede einzelne dieser Damen nenne ich meine Freundin. Und für jede einzelne dieser Freundschaften bin ich wahnsinnig dankbar. Diese Freundschaften begleiten mich hoffentlich für den Rest meines Lebens. 
Kurz gefasst, lässt sich das, was Freundschaft für mich ist, allerdings auch mit zwei Zitaten sagen
“Ein Freund ist ein Mensch, vor dem man laut denken kann”
” Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist, selbst einer zu sein”
(Ralph Waldo Emerson)
Danke, Mädels.