Acht Jahre. 13.07.2009, 23:50 Uhr, Albertinenkrankenhaus, Hamburg

14. Juli 2017 6 Von Arlette

Acht Jahre schon.
Gestern vor acht Jahren habe ich mich in einem Hamburger Kreißsaal redlich gemüht, das Kind zur Welt zu bringen. Sechs Tage nach dem errechneten Termin, eineinhalb Tage nach Start der Einleitung wegen verkalkter Plazenta und 12 Stunden nach dem Blasensprung. Wir waren so aufgeregt, und aufgedreht, und zuversichtlich, und haben uns so gefreut, auf dieses erste Kind, das so ungeplant unser ganzes Leben auf den Kopf stellen sollte.

Letztendlich kam die große Liese nach einem am Ende sehr dramatischen Verlauf mit schlechten Herztönen, miesen Sauerstoffwerten und nach stundenlang unproduktiven Wehen via Notkaiserschnitt unter Vollnarkose zur Welt. Tja. Leben ist das, was passiert, während du eigentlich andere Pläne hast, oder wie war das?
Die erste Stunde im Leben meiner ältesten Tochter habe ich also nicht mitbekommen. Ein Umstand, der auch bei Kind 2 wieder eintreten sollte, aber wenigstens war ich 2011 wach. Das ist wieder eine andere Geschichte.

“E. has landed on earth”, so hat der Mann der Liesenpatentante die Glückwunschkarte betitelt, und auch heute, acht Jahre später, kommen mir die Tränen, wenn ich diese Karte mit den ersten Fotos sehe. Wie KLEIN sie war. 51cm, dichte, schwarze Haare, und so unfassbar niedlich. Mitten ins Herz hat sie mich getroffen, als ich sie endlich sehen konnte. Nie hätte ich das erwartet, Kinder waren, aus Gründen, in meiner Lebensplanung gar nicht vorgesehen.
“Du bist kein Wunschkind gewesen, nein. Du bist unser Glückskind, und ich bin jeden Tag froh, dass wir das riesengroße Glück haben, dich aufwachsen sehen zu dürfen und dich dabei zu begleiten. Auch an Tagen, an denen wir viel streiten und irgendwie alles blöd ist, freue ich mich, dass es dich gibt. Du bist das Beste, was deinem Vater und mir hätte passieren können, und wir sind einfach dankbar, dass wir deine Eltern sein können”. So habe ich der Liese vor einiger Zeit ihre “bin ich ein Wunschkind”-Frage beantwortet. Sie ist das allergrößte Glück, was uns zuteil werden konnte, sie hat uns zu Eltern und damit ein unglaubliches Geschenk gemacht. Davon, dass das immer einfach wäre, hat glücklicherweise nie jemand gesprochen.

Jetzt sind wir also schon acht Jahre ihre Eltern, und nicht nur ihre. Jedes Jahr fühlt sich noch kürzer an, als das vorhergehende, und so sitze ich hier und frage mich, wo diese acht Jahre geblieben sind.  Groß ist sie. Nicht im Vergleich zu ihren Altersgenossen, aber in meinen Augen. Und das obligatorische Geburtstagsoutfit darf natürlich nicht fehlen. Ein Trikot war gewünscht, bittesehr, bittegleich. Nur echt mit der Rückennummer. Aber nur mit Trikot kann ja niemand gehen, also gab es einen Rock dazu.Ich freu mich, dass die Liese neben allem Glitzerblingbling (ich kann keine Wendepailletten mehr sehen…) immernoch ein Herz für sportlichere Schnitte und wenig prinzessinnenartige Farben hat. Und wundere mich sehr über die Mode, die durchschnittliche Klamottenketten für 8-10jährige Mädchen vorsehen. Äh. Ich hoffe sehr, meine Kinder, besonders meine Töchter, lassen sich noch eine Weile benähen.

Liesenmama seit acht Jahren. Danke, mein Kind, dass du es besser gewußt hast als ich, und dich einfach eingeschlichen hast. Ich hätte ohne dich nie den Mut gehabt, mich auf dieses Familiending einzulassen. Ich hoffe sehr, dein Papa und ich schaffen es, dir das Rüstzeug für ein gelingendes Leben in den Werkzeugkasten zu packen. Und ich hoffe, du wirst immer wissen, wir sind da, wann immer du uns brauchst. Wurzeln und Flügel. So einfach. Und an manchen Tagen so unglaublich schwer. Ich habe nicht gewußt, wie sehr und bedingungslos ich lieben kann, bevor es dich gab. Ich habe nicht gewußt, wie wütend ich werden kann über einen anderen Menschen, bevor es dich gab. Ich habe nicht gewußt, wie viel Freude und wie viel Kummer es bedeutet, Kinder beim großwerden zu begleiten, sie jeden Tag ein bißchen mehr loszulassen, und sie ihren eigenen Weg finden zu lassen. Ich hätte so unglaublich viel verpasst, ohne dich. Ich bin so dankbar, für dich.

Ich liebe dich. Deine Mama.